Kinderbildung und –betreuung ist eines der großen Zukunftsthemen unserer Zeit. Nicht erst seit Ausbrechen der Covid-Pandemie sehen sich Kinderkrippen und Kindergärten mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert: Vermehrte Dokumentationspflicht, Verwaltungsaufwand, intensive Elternarbeit und vieles mehr nehmen ein nicht unwesentliches Zeitausmaß im Arbeitsalltag in einer Kinderbetreuungseinrichtung in Anspruch. Für die Haupttätigkeit, ein qualitätsvolles Arbeiten mit den Kindern, bleibt oft zu wenig Zeit. Die straffe gesetzlich festgelegte Personaleinteilung lässt dabei oft keinen Spielraum für notwendigen Austausch bzw. flexibleres Agieren. Die Covid-Pandemie hat die Situation noch weiter verschärft, Quarantänemaßnahmen und Coviderkrankungen haben den ansonsten schon stark spürbaren Personalengpass drastisch verstärkt.
Massiver Ausbaukurs verstärkt Herausforderungen
Ebenso verschärfend wirkt der massive Ausbaukurs der Stadt Graz in den vergangenen Jahren. Seit 2014 wurden rund 1.600 neue Betreuungsplätze geschaffen. Im Moment zählt Graz 109 Kinderkrippen mit rund 2.829 Plätzen, sowie 159 Kindergärten mit rund 7.830 Plätzen. Die Versorgungsgrade liegen bei 37 Prozent im Kinderkrippen- und 97 Prozent im Kindergartenbereich und liegen damit weit über den geforderten Barcelona-Zielen. Genau dieser Ausbaukurs führt derzeit dazu, dass für die Nachbesetzung offener Stellen oft nicht genügend ausgebildetes Fachpersonal zur Verfügung steht. Es fehlt sowohl an Pädagog:innen, Sonderkindergartenpädagog:innen und Betreuer:innen. Das Berufsbild der Pädagog:in wird zunehmend als wenig attraktiv wahrgenommen. „Graz steht dank eines gut geplanten Ausbaus hervorragend da, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Dieser notwendige Ausbau hat jedoch auch dazu geführt, dass es immer schwerer wird Personal zu finden. Gleichzeitig ist dieses Personal stark durch administrative Tätigkeiten belastet. Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, nicht nur in Graz, sondern steiermarkweit“, erklärt Bildungsstadtrat Kurt Hohensinner.
Über 100 Gespräche auf dem Weg zum Maßnahmenpaket
Die Abteilung für Bildung und Integration bemüht sich daher schon seit geraumer Zeit gemeinsam mit dem Land gegenzusteuern, etwa durch die Einrichtung zusätzlicher Kolleg-Plätze gemeinsam mit der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum, durch Unilehrgänge oder Dispensen. Es ist aber Realität, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, und sich der Personalmangel weiter verschärft. Es gilt: Wenn nicht rasch gehandelt wird, werden öffentliche wie private Träger in Graz mögliche neue Einrichtungen nicht mehr eröffnen können oder sogar gezwungen sein, Einrichtungen zu schließen. Aus diesem Grund hat das Bildungsressort in den vergangenen Wochen ein umfangreiches Maßnahmenpaket erarbeitet, das kurz- und mittelfristig zu einer Entspannung der bestehenden Situation führen soll. Dieses wird Hohensinner in die kommende Gemeinderatssitzung einbringen. Basis dieses Pakets sind über 100 Gespräche mit Pädagog:innen und Betreuer:innen im Rahmen von Sprechtagen, sowie der intensive Austausch mit Gewerkschaft/Personalvertretung, Träger-Organisationen und den Selbstinitiativen. „Ich freue mich, dass wir das heute vorliegende Paket mit zahlreichen Partnern erarbeitet haben. Mein Dank geht insbesondere an die Gewerkschaft, die maßgeblich daran beteiligt war. Bestärkt bin ich dadurch, dass es uns durch die Sprechtage auch gelungen ist, mit an die hundert Pädagoginnen und Pädagogen direkt ihre Probleme und Herausforderungen zu besprechen“, ergänzt der Bildungsstadtrat.
Drei Schwerpunkte und drei Ebenen
Das Grazer Kinderbildungspaket umfasst drei Schwerpunkte: Verwaltungsvereinfachung (Stundenausmaß, Kontrolle und Dispensen), die Verbesserung der Ausbildungssituation (Stichwort Kolleg und berufsbegleitende Angebote) sowie der allgemeinen Rahmenbedingungen (Motivation, Berufsbild, Arbeitszeitüberschneidung, Gehalt). Gegliedert ist das Paket in drei Ebenen:
- Welche Maßnahmen die Stadt Graz selbst treffen kann;
- Welche Punkte nur gemeinsam mit dem Land umzusetzen sind;
- Wozu es andere Partner (Bund, PH, etc.) benötigt.
Im Einflussbereich der Stadt
Klar ist, dass die Stadt Graz einiges selbst umsetzen kann. Beispielhaft seien hier drei Punkte genannt:
Gehaltserhöhung: Corona hat gezeigt, dass die Bediensteten der Kinderbildungseinrichtungen einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur leisten. Homeoffice war für sie niemals möglich. Als Zeichen der Wertschätzung aber vor allem um das Berufsbild für die Zukunft zu attraktivieren, soll es eine substanzielle Lohnerhöhung für alle Grazer Bediensteten (privat wie städtisch) in der Höhe von 200 Euro brutto monatlich geben.
Personalschlüssel: Eine Erhöhung der Beschäftigungsausmaße von zwei Kinderstunden pro Gruppe bei 10h Öffnungszeit (Pädagog:innen und Betreuer:innen) über den gesetzlich vorgesehenen und vom Land vorgesehenen Bedarf hinaus würde zu einer höheren Personalbesetzung während der Stoßzeiten, zu einer Verringerung der Teilzeitbeschäftigungsausmaße und zu einem höheren Grundgehalt führen. Dies ist vorläufig nur für städtische Einrichtungen angedacht – eine Ausweitung auf private könnte über das Landesgesetz erfolgen.
IT Ausstattung: Ein Paket zur Verbesserung der IT – Ausstattung soll in den kommenden Jahren für die städtischen Einrichtungen Schritt für Schritt umgesetzt werden. (Glasfaser, Laptops, W-Lan). Zum Teil ist dies schon in Arbeit.
„Als zuständiger Stadtrat bin ich immer bemüht, dass wir Dinge die wir selber machen können auch umsetzen. Mir ist bewusst, dass dieses Paket Kosten verursacht. Aber wo wäre Steuergeld besser investiert, als in die Bildung und damit in die Zukunft unserer Kinder? Ich hoffe daher, dass der Gemeinderat hier klar ein Bekenntnis für den Stellenwert der Kinderbildung und –betreuung und für diese notwendigen Zukunftsmaßnahmen abgibt“, so Hohensinner.
Umsetzung gemeinsam mit Partnern
Darüber hinaus umfasst der Bericht noch wesentliche Punkte die nur gemeinsam mit dem Land Steiermark bzw. anderen Partner umgesetzt werden können. Wesentlicher Punkt in diesem Bereich ist die Verbesserung des Betreuungsverhältnisses. Diese könnte entweder über die Verkleinerung der Gruppen erfolgen, wenngleich diese nur über mehrere Jahre möglich wäre, ohne massive Verluste bei den Betreuungsplätzen zu erleiden. Ebenfalls denkbar wäre hier aber auch die Erhöhung des Personalschlüssels, also etwa eine zusätzliche Betreuerin ab einer gewissen Kinderanzahl. Diese würde allerdings eine Änderung des Landesgesetzes benötigen.
Ebenfalls vorgeschlagen:
- Vereinfachung und Ausweitung der Personaldispensen (als kurzfristige Maßnahme)
- Inklusion schon in der Kinderkrippe: Bereitstellung von Förderressourcen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen
- Ausbau der Kollegplätze
- Ausbau der berufsbegleitenden Ausbildungsangebote
- Digitalisierung: Bessere IT-Ausstattung (Glasfaser, W-Lan, etc.) auch über 15a-Bundesmittel
- Mehr Sprachförderung über 15a-Bundesmittel
„Insgesamt benötigt es eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten, um mittelfristig die bestehende Qualität im Kinderbildungsbereich aufrecht erhalten zu können. Klar ist, dass dies nicht von heute auf morgen gehen wird. Jetzt ist die Zeit um aktiv zu werden, im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im Sinne der Qualitätssicherung, aber vor allem im Sinne unserer Kinder“, so der Bildungsstadtrat abschließend.
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